Trotz Einschränkungen für die Wirtschaft im letzten Jahr sind die Arbeitsmarkt-Daten erfreulich. Worauf führen Sie das zurück?
Arbeitsminister Martin Kocher: Dass sich der Arbeitsmarkt seit den ersten Öffnungen im vergangenen Jahr so rasch erholt hat, hat selbst mich überrascht. Im Nachhinein lässt sich diese positive Entwicklung auf eine Kombination der von uns gesetzten Maßnahmen und den Stimmungsumschwung in der gesamten Wirtschaft und bei den Konsumentinnen und Konsumenten zurückführen. Man hat seit Beginn der Pandemie gesehen, dass sich die wirtschaftlichen Auswirkungen mit jedem Lockdown abschwächen. Das wirkt sich natürlich auch positiv am Arbeitsmarkt aus.
Hält der positive Trend an?
Das häng zu großen Teilen davon ab, wie sich die epidemiologische Situation, vor allem im Zusammenhang mit der Omikron-Virusmutation, weiterentwickelt. Aus arbeitsmarktpolitischer Sicht ist es natürlich wünschenswert, dass die pandemische Entwicklung keine weiteren Einschränkungen notwendig macht.
Welche Herausforderungen kommen auf dem Arbeitsmarkt auf uns zu?
Die größte Herausforderung im letzten Jahr war es, die Folgen der Pandemie am Arbeitsmarkt einzudämmen. Diese Aufgabe wird uns auch 2022 weiter beschäftigen, zumindest im ersten Quartal. Darüber hinaus werden uns aus Sicht des Arbeitsmarkts zwei weitere Punkte beschäftigen: Der erste ist die Reform der Arbeitslosenversicherung. Der zweite Punkt sind strukturelle Herausforderungen, die sich durch den Arbeits- und Fachkräftemangel am Arbeitsmarkt ergeben und die sich aufgrund der Demographieentwicklung in den nächsten Jahren noch ausweiten werden. Die Suche der Betriebe nach qualifizierten Arbeitskräften wird noch schwieriger werden. Das führt dazu, dass wir uns überlegen müssen, wie wir das Arbeitskräftepotenzial im Land besser nutzen können. Mit der Joboffensive, verschiedenen Stiftungen, die Arbeitssuchende in Bereichen mit besonderem Arbeitskräftebedarf ausbilden und dem Fachkräftestipendium tun wir gemeinsam mit dem AMS bereits viel; wir können aber noch besser werden.
In Kärnten sind 20.000 Menschen ohne Job, trotzdem finden Unternehmer kaum Personal – was tun?
Mit der Corona-Joboffensive haben wir das größte Aus- und Weiterbildungsprogramm, das es je gegeben hat, ins Leben gerufen. Etwa 100.000 Menschen haben davon schon profitiert – das heißt diese Personen haben bereits erfolgreich eine Ausbildung abgeschlossen. Auch für 2022 stehen noch Mittel zur Verfügung. Es ist also damit zu rechnen, dass sich noch mehr Personen ausbilden lassen und wir bis Ende des Jahres auf weit über 100.000 qualifizierte Personen kommen, die dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen. Rund 54 Prozent der bisher Ausgebildeten haben bereits 2021 innerhalb von sechs Monaten einen Job gefunden – darunter sind etwa ein Drittel Langzeitarbeitslose. Die Herausforderung nach der Pandemie wird sein, diese Qualifizierungsmaßnahmen noch stärker auf den Bedarf auszurichten und effektiver zu machen. Geld gibt es dafür, gab es schon vor der Pandemie und wird es auch danach geben.
Das degressive Arbeitslosengeld ist ein Mittel, um Jobsuchende rascher in Beschäftigung zu bringen?
Der Vorteil einer degressiven Gestaltung des Arbeitslosengelds wäre, dass dadurch der Anreiz, sich schnell wieder für eine neue Stelle zu bewerben, größer wird. Ich habe aber auch immer betont, dass das Arbeitslosengeld nicht weit unter das aktuelle Niveau von 55 Prozent der letzten Bezüge sinken werden. Und es ist klar, dass es bei einem degressiven Modell – also einem Arbeitslosengeld, das mit Dauer der Arbeitslosigkeit sinkt – auch am Anfang mehr geben muss. Wichtig ist jedenfalls, dass wir kurzfristige Arbeitslosigkeit nicht zu attraktiv machen und Menschen rasch in Beschäftigung bringen, wenn sie arbeitslos werden.
Kärnten verliert Menschen, die berufstätig sein können. Wird der Zugang zum Arbeitsmarkt für Menschen aus anderen Ländern erleichtert?
Es stimmt, dass uns die demografische Entwicklung in den kommenden Jahren noch stärker am Arbeitsmarkt beschäftigen wird. Wir müssen uns daher Konzepte überlegen, wie wir dem Arbeits- und Fachkräftemangel begegnen können. Der Tourismus ist dabei ein wichtiger Sektor, in dem die Arbeitskräftenachfrage besonders hoch ist, vor allem in Bundesländern mit niedriger Arbeitslosenquote. Zwei Maßnahmen, die wir erst kürzlich auf den Weg gebracht haben und die den Erhalt von Arbeitsgenehmigungen für Drittstaatsangehörige erleichtern, ist die Reform der Stammsaisonierregelung sowie die Aufstockung der Saisonkontingente im Tourismus. Es stehen damit mehr Saisonkontingente für qualifizierte Arbeitskräfte aus dem Ausland zur Verfügung, und bewährte Saisonarbeitskräfte können nun Beschäftigungsbewilligungen einfacher erhalten.
Stichwort: Rot-Weiß-Rot-Card – kann der Erwerb für Personen mit Lehrberuf erleichtert werden?
Die Rot-Weiß-Rot – Karte richtet sich bereits primär an Fachkräfte, also an Personen, die mindestens einen Lehrberuf haben. Eine Erleichterung ist im Regierungsprogramm vorgesehen und es ist das Ziel, hier gemeinsam mit allen zuständigen Ressorts Verbesserungen zu erzielen.
Wird die Impflicht Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt haben?
Die 3G-Regelung bildet derzeit die Sicherheitsgrundlage am Arbeitsplatz und soll das auch weiterhin tun. 2G am Arbeitsplatz halte ich persönlich nicht für verhältnismäßig – der Meinung sind übrigens auch die Sozialpartner. 2G am Arbeitsplatz würde heißen, dass Ungeimpfte nicht nur den Job verlieren würden, sondern sofort auch den Anspruch auf Arbeitslosengeld und Sozialhilfe, weil sie dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung stehen. Damit würden sie durch das gesamte soziale Netz fallen. Das halte ich für eine unverhältnismäßige Sanktion.